Hallo Medieninsider!
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:
► Wie der Spiegel Verschwörungstheorien in eigener Sache befeuert
► Was du über die ARD/ZDF-Onlinestudie wissen musst
► Wem das Redaktionsnetzwerk Deutschland einen Kunden abgeworben hat
► Welchen Fehler Journalisten bei der Klimaberichterstattung noch immer machen
Ja, auch dem Spiegel ging es schon einmal besser, immerhin waren Sparprogramme vor einigen Jahren noch undenkbar. Es könnte ihm aber auch viel schlechter gehen. Über eine Viertelmilliarde Euro setzt der Verlag mit seinem Nachrichtenmagazin und Tochtergesellschaften jährlich um – ganz ohne Classified-Geschäfte oder Technologie-Anwendungen. Mit anderen Worten: Die Spiegel-Gruppe kommt ganz gut zurecht, auf Förderungen ist sie eigentlich nicht angewiesen. Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb man die folgende Aktion nicht nur für unnötig, sondern kontraproduktiv halten kann.
Der Spiegel nimmt ein paar Millionen Dollar von der Gates-Stiftung an, nicht zum ersten Mal. Mit dem Geld will das Nachrichtenmagazin eine 2019 gestartete Reportage-Reihe zur sozialen Ungerechtigkeit fortführen.
Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um das unpassend zu finden, im Gegenteil. Für jene, die selbst glauben und anderen glauben machen wollen, dass Bill Gates die Weltherrschaft an sich reißen will und dafür auch politische und mediale Eliten besticht und kontrolliert, ist diese Aktion eine Bestätigung. Das allein reicht, um ungläubig den Kopf zu schütteln.
Nun könnte man sagen: Egal, was Verschwörungstheoretiker denken, einzufangen sind sie ohnehin nicht mehr. Das kann man meinen, möglicherweise ist es auch so. Deshalb muss man ihnen aber längst keine Gratis-Argumente liefern. Für ein Nachrichtenmagazin wie den Spiegel, das zum größten Teil den eigenen Mitarbeitern und damit den Journalisten des Hauses gehört, sollte das eine Prinzipienfrage sein.
Geld von Gates-Stiftung: Spiegel bekommt weitere Millionenförderung
ARD und ZDF haben die mittlerweile 25. Ausgabe ihrer viel beachteten Onlinestudie herausgebracht. Die Befragungen zum Internet-Nutzungsverhalten der Deutschen zeigt: Der Alltag wird immer digitaler, die Onlinenutzung nimmt zu. Das gilt auch für Medien. Nahezu jedes Segment wächst.
Neben der steigenden Relevanz von Artikeln und Berichten im Internet und dem wachsenden Bedürfnis nach Streaming-Angeboten hält die Studie ein paar Überraschungen bereit – besonders, was Social Media betrifft. Unser Service für dich: Kevin Dusch hat die Onlinestudie gelesen, damit du es nicht mehr musst.
Executive Summary: Was du über die ARD/ZDF-Onlinestudie wissen musst
Mehr News & Entdeckungen aus der Woche
zusammengetragen von Kevin Dusch
Westdeutsche Zeitung holt sich Mantelteile zukünftig beim RND
Die Westdeutsche Zeitung holt sich Teile ihrer überregionalen Berichterstattung zukünftig vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). So werde die Zentralredaktion von Madsack unter anderem Politik- und Wirtschaftsinhalte aus der Hauptstadtredaktion bereitstellen. Für Madsack ist der Gewinn des neuen Kunden ein doppelter, denn die Zeitung war vorher bei der Konkurrenz, wurde von der Rheinischen Post mit Inhalten versorgt. Beim RND beziehen nach eigenen Angaben mittlerweile mehr als 60 Tageszeitungen Inhalte aus der Hauptstadtredaktion. Die Pressemitteilung der Madsack Mediengruppe findest du hier.
Werbemarkt trotz Coronalage im Oktober stabil
Die Bruttowerbeausgaben von Unternehmen lagen laut Marktforschungsunternehmen Nielsen im Oktober bei 4,15 Milliarden Euro und damit 12,6 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Es gewannen fast alle Gattungen bis auf Werbesendungen und das Radio. Am stärksten stiegen die Ausgaben ins Radio. Mit Werbeausgaben von fast 14,9 Millionen Euro im Oktober 2021 lag es satte 240,3 Prozent über den Zahlen von Oktober 2020. Der Bereich Fernsehen wuchs im Vergleich zum Vorjahr um 21,8 Prozent, rund 2,257 Milliarden Euro wurden im TV-Werbemarkt im vergangenen Monat umgesetzt. Ebenfalls zweistellig legte der Out-of-Home-Sektor mit 17,3 Prozent zu, hier lagen die Werbeausgaben im Oktober bei rund 253 Millionen Euro. Insgesamt liegen die Bruttoausgaben in 2021 Stand jetzt bei 29,6 Milliarden Euro – 7,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Eine detaillierte Aufschlüsselung der Zahlen von Horizont findest du hier.
Ozy Media: Börsenaufsicht und Justizministerium schalten sich ein
Das US-Justizministerium und die amerikanische Börsenaufsicht (SEC) haben offenbar Ermittlungen gegen das Medienunternehmen Ozy aufgenommen. Die Behörden sollen in mehreren Untersuchungen bereits Kontakt zu Unternehmen aufgenommen haben, die mit Ozy in Verbindung stehen und investieren wollten. Die Ermittlungen dürften aber in Zusammenhang mit den betrügerischen Praktiken des Silicon-Valley-Unternehmens stehen. Unter anderem hatte sich Mitgründer Samir Rao vor potenziellen Investoren als YouTube-Mitarbeiter ausgegeben und auch Co-Gründer Carlos Watson wurden mehrere Betrugsversuche und -maschen vorgeworfen. Die Recherche der New York Times zu den neuen Untersuchungen findest du hier – und hier einen Medieninsider-Bericht, der die Vorwürfe gegenüber den Ozy-Gründern zusammenfasst.
TikTok-Eigentümer steigert Umsatz um 60 Prozent
ByteDance, die Muttergesellschaft von TikTok, steigert ihren Umsatz 2021 um 60 Prozent auf rund 63 Milliarden US-Dollar, berichtet The Information. Damit flacht die Wachstumsrate im Vergleich zum vergangenen Jahr ab – 2020 hatte das Unternehmen seinen Umsatz noch mehr als verdoppelt. Trotzdem wächst das Unternehmen deutlich schneller als die Konkurrenz. Die Facebook-Mutter Meta hat ihren Umsatz aktuell um 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Tencent, der Konzern hinter der größten Social-Media-App Chinas WeChat, verzeichnet aktuell einen Umsatzanstieg von 16 Prozent. Einen aktuellen Bericht zum Thema von The Information findest du hier.
Substack erreicht eine Million Abonnenten
Die Newsletter-Plattform Substack hat nach eigenen Angaben die Marke von einer Million zahlenden Abonnenten erreicht. Damit zeigt die Plattform ein beachtliches Wachstum: Im August 2020, also vor etwas mehr als einem Jahr, hatte Substack rund 100.000 zahlende Abonnenten, Ende 2019 nur 50.000. Die Mitteilung von Substack findest du hier.
Aus dem Personalticker:
►Martin Stedler ist neuer Verlagsleiter bei Cicero und Monopol
► Enrico Bach wird Head of Content bei der dpa
Anzeige
Offene Stellen
► Business Analyst (m/w/d) im Büro Bardohn
► Ressortleitung (m/w/d) für die Lokalredaktion in Osterholz-Scharmbeck beim Weser-Kurier
► Community-Redakteur (m/w/d) bei Medieninsider
Aus der Medieninsider-Mediathek
► Sebastian Turner über den Aufbau seines neuen Fachverlags Table.Media, seine Rolle als Investor und seinen Blick auf den Lokaljournalismus. Zum Video.
► Arist von Harpe über seine Motive für den Kauf der Hamburger Morgenpost, Paid-Content-Pläne und neue Ideen für die Vermarktung. Zum Video und zur Zusammenfassung.
► Katrin Gottschalk, Produktchefin und Vize-Chefredakteurin der taz, über Transformation und eine papierlose Zukunft. Zum Video und zur Zusammenfassung.
► Holger Stark, Investigativchef und stv. Chefredakteur der Zeit, über Pressefreiheit und investigativen Journalismus. Zum Video.
Lesetipp
Es hat seine Zeit gedauert, doch mittlerweile gewinnt der Klimawandel auch in Redaktionen und ihren Medien an Bedeutung – auch institutionell. Medien wie die NZZ Deutschland starten ein eigenes Vertical, Nachrichtenagenturen wie in Österreich oder auch Deutschland bauen wie einige andere Medien eigene Klima-Teams auf, um der Bedeutung gerecht zu werden. An einer Stelle aber scheinen die Medien ihrer Aufgabe noch nicht gerecht zu werden: bei der Nennung der Schuldigen.
Das meint zumindest Raphael Thelen in einem Essay bei Zeit Online. Immer wieder klinge in Berichterstattung oder Debatten an, dass Klimaveränderungen aus sich selbst heraus entstünden, klimaschädliche Konzerne blieben verschont. Er hält fest:
„Der Planet kollabiert nicht, er wird zum Kollabieren gebracht.“
Dass die Schuldigen noch immer nicht klar benannt werden, hat für den Autoren mehrere Gründe:
► Greenwashing: Große Konzerne verdienen Milliarden mit klimaschädlichen Praktiken – und geben Millionen dafür aus, die Schäden unter den Teppich zu kehren und sich selbst in ein besseres Licht zu rücken.
► Lobbyismus: Politiker lassen sich, auch durch Finanzspritzen, von den Konzernen beeinflussen und helfen, Skepsis zu säen.
► Journalistisches Missverständnis: Trotz aller Fakten behandeln auch Journalisten das Klimathema als eines von vielen, stellen es teilweise sogar selbst als parteipolitisches Thema dar.
Deshalb appelliert Raphael Thelen in seinem Text auch an Journalisten, präzise zu schreiben und Fakten zu benennen:
„Wir Journalisten befeuern dieses Gefühl der Hilflosigkeit, wenn wir diese Verantwortungsdiffusion nicht beenden, nicht klarer benennen, wo die Schuldigen sitzen, so wie wir das in anderen Bereichen ganz routinemäßig machen.“
Thelens Text ist kein Leitfaden für den richtigen Umgang mit Verantwortlichen in der Klimakrise. Er ist aber ein Denkanstoß für eine Debatte, die er nicht allein führen sollte. Seinen ganzen Essay findest du hier.
Ich wünsche dir noch eine schöne Woche!
Viele Grüße sendet dir
Marvin