Hallo Medieninsider!
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:
► Wie sich die Podcast-Produktion in Verlagshäusern etabliert und professionalisiert
► Wie die Lage im BDZV weiter eskaliert
► Weshalb die Studie zu Medientrends des BDZV mit Skepsis gelesen werden sollte
► Weshalb Publisher im Podcast-Segment auch Amazon Music im Auge behalten sollten
In die Erfolgsmessung im Podcast-Segment kommt langsam etwas Transparenz rein. Am gestrigen Dienstag veröffentlichte die Arbeitsgemeinschaft Medienanalyse erstmals Teile ihrer Reichweitenanalyse, an der 26 Publisher mit mehr als 100 Podcasts teilgenommen haben (s. Meldung unten). Der Vorteil: Eine gemeinsame Grundlage zur Erfolgsmessung („valide Downloads“) schafft Vergleichbarkeit.
Die ist vor allem in der Werbevermarktung wichtig – die weiterhin einen Großteil des Geschäftsmodells mit Podcasts ausmacht, wie mein Kollege Sandro Schroeder zu berichten weiß. Er hat sich in den vergangenen Wochen für Medieninsider mit den Audio-Strategien ausgewählter Verlage befasst und sich von den Audioverantwortlichen von Zeit, Spiegel, Süddeutsche, Tagesspiegel und Rheinische Post angehört, wie sich dieses immer noch neue Medium in Online-Redaktionen von Zeitungshäusern etabliert und entwickelt.
Von „Hype“ und „Boom“, schreibt Sandro, ist dort keine Rede mehr. Stattdessen bilden sich in Redaktionen wichtige Grundsätze bei der Produktion von Podcasts heraus, wie Zeit Online-Chef Jochen Wegner berichtet. An den Erzählungen von Spiegel-Audio-Chefin Sandra Sperber oder SZ-Kollege Vinzent Leitgeb werden unterschiedliche Ansätze im Umgang mit den Audio-Plattformen wie Spotify oder Audible deutlich und auch bei der Entwicklung der Finanzierungsmodelle gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Die Lektüre lohnt sich also aus unterschiedlichen Aspekten. Du kannst Sandros Artikel als Medieninsider hier lesen.
Höher, schneller, weiter: Die ambitionierten Podcast-Pläne deutscher Verlage
Es gibt Verhaltensweisen, die ergeben erst im Nachhinein Sinn. Beispielsweise das Schweigen von Thomas Düffert bei der jüngsten Delegiertenversammlung der Zeitungsverleger Anfang vergangener Woche. Der Madsack-Chef hielt sich in der Debatte zur Modernisierung des Branchenverbandes BDZV auffällig zurück – obwohl er seit Monaten dafür eintrat und zu den größten Kritikern desjenigen gehört, den so mancher im Laufe dieser Modernisierung entmachtet sehen will: BDZV-Präsident Mathias Döpfner. Am Donnerstag wurde der Grund für Düfferts Verhalten klar.
Per Mail erklärte der Madsack-Chef, mit sofortiger Wirkung von seinem Posten als Vize-Präsident und Mitglied im geschäftsführenden Präsidium zurückzutreten. Wir hatten unverzüglich und zuerst darüber berichtet. Spezifische Gründe nannte Düffert nicht, allerdings wurden seine Beweggründe zwischen den Zeilen deutlich: Protest aus Vertrauensverlust gegenüber Döpfner, dessen Position weiterhin unangetastet blieb.
Düffert hatte offensichtlich das Stimmungsbild der Delegiertenversammlung abgewartet und letztlich erkannt, dass die Opposition gegen den Verlegerpräsidenten zu klein ist, um schnelle Ergebnisse zu erzielen.
Döpfner war es gelungen, eine erneute Debatte über seine Position an der Spitze des Verbands abzuwenden. Dem Gros der 55 Delegierten reichten seine Bekundungen offensichtlich aus. Der Präsident hatte die jüngste Kritik an ihm, er habe das Compliance-Verfahren um Ex-Bild-Chef Julian Reichelt manipuliert, zurückgewiesen, allerdings auch darauf hingewiesen, Unternehmens- und Verbandsvorgänge nicht vermischen zu wollen. Mit Blick auf die Modernisierungsdebatte soll er appelliert haben, ohne Tabus und Rücksicht auf handelnde Personen über eine Neuaufstellung des Verbands zu debattieren. So berichten es Teilnehmer, die damit den bisherigen Darstellungen widersprechen, Döpfner habe das Thema schnell abgewiegelt.
So oder so: Klar ist, dass Düffert mit seinem Rücktritt die nächste Eskalationsstufe im Machtkampf innerhalb des BDZV gezündet hat. Es ist ein offenes Zeichen des Misstrauens, das durch die Berichterstattung in Publikumsmedien über die Grenzen der sogenannten Medien-Bubble hinausgereicht hat. An dieser Stelle bleibt wieder abzuwarten, ob dieser Schritt im Nachhinein einen Sinn ergeben wird. Oder ob dieser Rücktritt der Anfang einer Resignation Düfferts darstellt. Meinen Artikel mit Düfferts Nachricht an die BDZV-Verleger kannst du als Medieninsider hier lesen.
Nach BDZV-Treffen: Madsack-Chef Thomas Düffert tritt als Vize zurück
Wir bleiben noch kurz beim BDZV beziehungsweise bei seiner Trend-Studie. Einmal im Jahr fragt der Verband gemeinsam mit der Unternehmensberatung Schickler Entscheider der Verlagsbranche nach den wichtigen Themen für ihr Unternehmen. Vor einigen Wochen war es wieder so weit und die Ergebnisse wurden kürzlich vorgestellt.
Unser Kolumnist Andreas Gebhard begann, sie mit Interesse zu lesen. Nachdem er die Ergebnisse dann mit dem ursprünglichen Fragebogen abgeglichen hatte, blieb er rat- und verständnislos zurück.
Was ist zu halten von einer Studie, deren Ergebnisse und Schlussfolgerungen nicht aus dem dafür angefertigten Fragebogen hervorgehen, sondern teilweise aus nicht angegebener Sekundärliteratur? Und was ist von Studien-Machern zu halten, die auf Rückfragen dazu keine ausreichenden Antworten liefern? Nichts, findet Andreas. Trends werden woanders gemacht, schreibt er in seinem Text. Du kannst ihn als Medieninsider hier lesen.
BDZV-Studie: Trends entstehen woanders
Wenn wir Artikel oder Interviews veröffentlichen, die wir nicht nur für deutschsprachige Medienschaffende relevant halten, dann veröffentlichen wir unsere Inhalte auch auf Englisch. Das Interview mit Florian Bauer, Vorstand bei Vocatus und Professor für Behavioral Pricing, ist so ein Inhalt.
Bauer spricht darin darüber, weshalb es die „Zahlungsbereitschaft“ aus seiner Sicht gar nicht gibt und wie Preisgestaltung im Journalismus funktionieren kann. Wir freuen uns, wenn du das Interview mit deiner internationalen Community teilst. Du kannst es auch ohne Mitgliedschaft bei Medieninsider lesen und findest es hier.
There is no ‘willingness to pay’ in journalism
Mehr News & Entdeckungen aus der Woche
zusammengetragen von Kevin Dusch
AGMA-Studie liefert erstmals umfangreichen Einblick in deutschen Podcast-Markt
Die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AGMA) hat erstmals Daten ihrer neuen Studie „ma Podcast“ veröffentlicht. An der Analyse nahmen zunächst 101 Podcasts von 26 Publishern teil. Für 60 dieser Podcasts stimmten sie der Veröffentlichung der Ergebnisse zu. Demnach waren im Dezember Wissenschaft, Nachrichten und True-Crime die beliebtesten Genres im deutschen Podcast-Markt. Am meisten „valide Downloads“ erzielten SWR2 Wissen (4,5 Millionen) sowie Was jetzt? (4,4 Millionen) und Verbrechen (4,2 Millionen) von Zeit Online. Deutlich abgeschlagen mit rund 1,4 bis 1,6 Millionen validen Downloads folgten das Morning Briefing vom Handelsblatt, Verbrechen von nebenan von der Audio Alliance und Auf den Punkt von der Süddeutschen Zeitung.
Die AGMA will künftig jeden Monat die Zahl der validen Downloads von Podcasts auf dem deutschen Markt ausweisen. Gemeint sind damit alle Wiedergaben von mindestens einer Minute. Der Analyse-Verein weist darauf hin, dass „eine Übermittlung der Abrufe, die über Spotify generiert wurden, technisch derzeit nicht möglich“ sei. Mit künftigen Veröffentlichungen steht also zu hoffen, dass sowohl die Anzahl der Titel als auch die einbezogenen Plattformen wächst. Alle Zahlen aus der ersten „ma Podcast“ findest du hier, die Pressemitteilung zur neuen Studie hier.
Werbemarkt überall im Plus
Laut dem Marktforschungsinstitut Nielsen lag der deutsche Werbemarkt im Januar in allen Segmenten im Plus. Deutlich stiegen vor allem die Bereiche Out-of-Home mit +42 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf rund 162 Millionen Euro Bruttoumsatz und Radio mit +34 Prozent auf rund 127,5 Millionen Euro. Die Bereiche TV, Zeitung und Direct-Mailing lagen jeweils ungefähr auf dem prozentualen Anstieg des Gesamtmarktes von +14,8 Prozent. So lagen die Werbeumsätze im TV bei rund 1,15 Milliarden Euro, in Zeitungen bei etwa 368 Millionen Euro und bei Direct Mailings bei ca. 227 Millionen Euro. Für einen besonderen, wenn auch wenig aussagekräftigen Wert sorgt der Bereich Kino. Nachdem Lichtspielhäuser im Januar 2021 weitgehend geschlossen waren, stieg der Brutto-Werbeumsatz jetzt im Vorjahresvergleich entsprechend stark um 106.730,5 Prozent auf rund 3,6 Millionen Euro. Im Januar 2021 flossen hier laut Nielsen lediglich 3400 Euro. Die aktuellen Zahlen von Nielsen findest du hier.
ARD will Tagesschau24 ausbauen
Die ARD will den Nachrichtensender Tagesschau24 ausbauen und dessen „Profil schärfen“. Das hat ARD-Chefin Patricia Schlesinger bei einer Sitzung des RBB-Rundfunkrates bekannt gegeben. Konkret soll das Angebot der Live-Berichterstattung in News-Lagen gestärkt und die Kompetenzen aus dem Senderverbund der ARD besser genutzt werden – beispielsweise das weltweite Korrespondenten-Netz. Wiederholungen, Talks und Magazine sollen dafür reduziert werden. Die Ankündigung beschreibt ein Umdenken in der Senderführung, hatte die ARD 2019 noch gesagt, Tagesschau24 sei „für einen 24-Stunden Live-Betrieb gar nicht ausgelegt.“ Zusätzliches Geld braucht die ARD für das Umbau-Vorhaben nach eigenen Angaben nicht. Wann genau das neu gestaltete Programm von Tagesschau24 starten soll, ist bislang nicht bekannt. Einen Eindruck, wie sich der Sender unter erweitertem Konzept entwickeln könnte, erhielt man aber bereits in dieser Woche. Während der Eskalation im Russland-Konflikt sendete Tagesschau24 live bis spät in die Nacht. Ihre Pläne Patricia Schlesinger dem Tagesspiegel in einem Interview unterbreitet. Du findest es hier.
Medienaufsicht prüft, ob Deutsche Welle im Inland empfangen werden darf
Die deutschen Medienanstalten prüfen laut Dwdl, ob der öffentlich-rechtliche Auslandssender Deutsche Welle (DW) sein Programm auch im Inland verbreiten darf. Auslöser ist der Streit mit dem deutschsprachigen russischen Staatssender RT DE, dessen Betrieb wegen einer fehlenden Rundfunklizenz untersagt wurde. Offenbar fehlt diese aber auch der DW, deren deutschsprachiges Angebot unter anderem über die eigene Website und die ARD-Mediathek empfangbar ist. Geklärt werden soll nun, ob dies gemäß dem „Gesetz über die Rundfunkanstalt des Bundesrechts ‚Deutsche Welle‚“ zulässig ist. Diese Frage sowie die Frage nach der Verantwortung für die Klärung ist kompliziert. Die Medienanstalten sind für staatliche Angebote wie die DW nicht zuständig, wohl aber für verbreiteten Rundfunk im Inland. Aus Sendersicht ist die Lage unproblematisch, das deutschsprachige Programm sei schlicht durch die „heute verfügbare digitale Technologie“ weltweit empfangbar – folglich auch in Deutschland. Einen ausführlichen Beitrag zum Thema von Dwdl findest du hier.
Financial Times nähert sich einer Million Digital-Abos
Laut Axios steht die Financial Times kurz davor, eine Million Digital-Abos zu erreichen. Insgesamt hat die Zeitung inklusive Print derzeit 1,17 Millionen Abonnenten – allerdings macht die digitale Zeitung bereits 46 Prozent der Gesamteinnahmen aus. Die Financial Times führte 2002 ein digitales Abo-Modell ein, 2007 war sie eine der ersten Publisher mit einer sogenannten „metered paywall“, bei der Leser nach dem Öffnen einer bestimmten Anzahl kostenloser Beiträge zu einer Zahlung aufgefordert werden. In den vergangenen Jahren fing die Zeitung wieder an, mit neuen Subscription-Ansätzen zu experimentieren. Derzeit steht „The FT Edit App“ in den Startlöchern, die Lesern ab März werktäglich acht Artikel vergünstigt anbieten soll. Den Text zum Thema von Axios findest du hier.
Aus dem Personalticker:
► Cerstin Gammelin wird Steinmeier-Sprecherin, Marc Brost Reden-Schreiber
► Nach Konflikt mit der Chefredaktion: Harald Martenstein verlässt den Tagesspiegel
► Frank Seidlitz kommt als neuer Foto-Chef zum Focus
► Stefan Hagel übernimmt Vertriebsleitung beim Jahreszeiten Verlag
► Antonia Yamin wird Chefreporterin beim TV-Sender Bild
► Can Merey wird Investigativ-Chef beim RND
► Kölnische Rundschau: Raimund Neuß wird Mitglied der Chefredaktion
► Claus Grewenig ist neuer Vaunet-Vorsitzender
Heute um 19 Uhr: Komm zum Meetup der Medieninsider!
Heute Abend trifft sich die Medieninsider-Community zum Meetup! Wir stellen unseren neuen Community Editor Fabian vor und wollen mit dir über die Entwicklungen bei Medieninsider, aber auch in unserer Branche sprechen!
Als Medieninsider kannst du mit dabei sein – um 19:00 Uhr geht es los. Registriere dich und wir senden dir die Zugangsdaten!
Lesetipp
Wenn du Sandros Artikel zu den Podcast-Strategien der Publisher gelesen hast, ist dir vielleicht aufgefallen, dass eine Audio-Plattform so gar keine Erwähnung findet: Amazon Music. Bislang bearbeitet der US-Konzern den Podcast-Markt über seine Tochter Audible, doch gibt es Anzeichen, dass sich das durchaus bald ändern und die Platzhirsche Apple und Spotify neue Konkurrenz erhalten könnten. Solch ein Szenario macht zumindest Podcast-Experte Marc Krueger auf, der bei Twitter einige Indizien und Hinweise für eine Amazon Music-Expansion zusammengetragen hat. Darunter:
► Schnelles Wachstum: Amazon Musics Hörerschaft wächst weltweit mit derzeit rund 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr deutlich schneller als Spotify und Apple Music.
► Audio-Kompetenz: Mit der Amazon-Tochter Audible und den Zukäufen des Podcast-Poduktions-Netzwerks Wondery und der Hosting-Plattform ART19 besitzt das Unternehmen das nötige Know-how.
► Geschickte Fehlervermeidung: Als Nachzügler vermeidet Amazon die Startfehler der Konkurrenz. Producern wird es unter anderem technisch sehr leicht gemacht, ihre Podcasts einzureichen und einige Shows werden sofort transkribiert.
► Hard- und Softwarevorsprung: Die nötigen Tools zum Podcast-Konsum mit Amazon sind bereits beim Kunden: Amazon-Apps befinden sich bereits auf vielen Smartphones und Audio-Geräte wie Amazon Echo in vielen Wohnzimmern.
Amazon könnte also bald eine ernstzunehmende Konkurrenz auf dem Podcast-Markt werden. Marc Krueger sagt aber auch: So muss es nicht kommen. Geschäftlich ist das Unternehmen jedenfalls nicht auf diesen Markt angewiesen. Trotzdem dürfte es sich lohnen, die Entwicklung der Audio-Sparte aus dem Hause Amazon im Auge zu behalten. Seinen ganzen Twitter-Thread mit weiteren Argumenten findest du hier.
Viele Grüße sendet dir
Marvin