Causa Joe Rogan: Spotify im Plattform-Dilemma

Ausgabe #05/2022

Hallo Medieninsider!

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:

► Worauf Medien bei der Findung und Gestaltung ihrer Preismodelle für digitalen Journalismus achten sollten 

► Weshalb die Great Resignation in den USA auch Medienunternehmer alarmieren sollte 

► Wie Daniel Fiene und ich die Medien-News im Januar bewerten

► Welche Medieninsider-Meldung Axel Springer nun nach zweieinhalb Monaten bestätigt hat  

► Wieso die Plattformdiskussion im Fall Spotify und Joe Rogan eine besondere ist 


In der Medienbranche hat sich eine Erkenntnis weitgehend durchgesetzt: Paid Content und Abo-Angebote sind wesentlicher Bestandteil digitaler Geschäftsmodelle. Was ihre Ausgestaltung angeht, ist hingegen einiges noch nicht ausgemacht.

Vor allem das Pricing erweist sich für digitalen Journalismus als sensibles und bislang kaum erkundetes Feld. Wie viel sind Nutzer bereit, zu bezahlen? Und wie lässt es sich herausfinden?

Mit Fragen wie diesen befasst sich auch Florian Bauer. Er lehrt als Honorarprofessor in Behavioral Pricing an der TUM School of Management der TU München, als Vorstand von Vocatus berät er Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Daimler, BMW, Deutsche Telekom, Rewe oder McDonald’s stehen genauso auf seiner Kundenliste wie große und kleine Medienunternehmen. 

Im Interview mit Alexandra Borchardt spricht er über Strategien zur Preisfindung und -gestaltung im digitalen Journalismus, benennt Versäumnisse und räumt mit einigen Missverständnissen auf. Das erste: Die „Zahlungsbereitschaft“ unter Nutzern gibt es gar nicht:

„Der Begriff ist psychologisch völlig irreführend.“

Vielmehr spricht der Experte von einer „Preisakzeptanz“, die man wie einen Muskel trainieren kann:

„Man legt stetig ein bisschen mehr Gewicht auf. Was man nicht machen sollte: Fünf Jahre lang dasselbe stemmen und dann ordentlich auflegen.“

Was man trainieren kann, lässt sich genauso gut wieder zerstören. Bauer nennt im Interview einige Punkte, mit denen sich eher Rück- anstatt Fortschritte erzielen lassen. Beispielsweise sagt er:

„Wir raten auch bei Abo-Preisen davon ab, Preiserhöhungen proaktiv zu begründen.“

Denn:

„Die Wahrnehmung und Bewertung von Preisen ist nicht linear und schon gar nicht rational.“

Vielmehr geht es um die richtige Ausgestaltung und Ansprache. Bauer sagt:

„Menschen wollen nicht entscheiden, sie wollen entschieden gemacht werden.“

Der Preisstratege spricht im Interview auch darüber, wie mit unterschiedlichen Produkten und Preispaketen umzugehen ist, weshalb nicht jedes Medium auf Mitglieder-Programme setzen sollte und wie sich mit Rabatten mehr zerstören als gewinnen lässt. Bauer teilt auch seinen Blick auf die Werbevermarktung – denn auch dort erfordert die digitale Transformation ein Umdenken in der Beziehung zwischen Medium und Kunde. 

Man muss nicht jede seiner Aussagen teilen. Allein, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, ist aber schon ein Gewinn für die eigene Strategie. Das Interview kannst du als Medieninsider hier lesen

Die Mär von der Zahlungsbereitschaft im Journalismus


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Zwei Tage Sparring für die Contentbranche

Innovators aufgepasst – nextMedia.Hamburg bereitet euch gemeinsam mit renommierten Expert*innen auf die aktuellen Herausforderungen der Contentbranche vor. Beim Innovator Circle könnt ihr Kontakte knüpfen, Ideen für neue Geschäftsmodelle und Produkte sammeln und Anregungen erhalten, wie ihr euer Unternehmen erfolgreich für die Zukunft der Content Economy aufstellt. Seid dabei, bei der ersten Ausgabe zum Thema „Rethinking the Content Economy”!


Wir starten bei Medieninsider eine weitere Kolumne! Neben Alexandra Borchardt und Andreas Gebhard wird sich zukünftig einmal im Monat Claudia Michalski zu Wort melden. Claudia war bereits 25 Jahre als Managerin in der Medienbranche aktiv,  zwölf davon als Geschäftsführerin – zunächst im Beuth Verlag, später bei der Verlagsgruppe Handelsblatt (heute Handelsblatt Media Group). 2016 stieg sie als geschäftsführende Gesellschafterin bei der Beratung OMC ein und arbeitet dort seither unter anderem mit Führungskräften aus der Medienbranche an deren Karriere. 

Hier bei Medieninsider wird Claudia regelmäßig die Transformation der Medienbranche von der Karriere-Seite beleuchten, ihre Erfahrungen und Eindrücke teilen. In ihrem ersten Beitrag geht es um ein Phänomen, das derzeit im US-Markt zu beobachten ist: Zahlreiche Angestellte werfen ihre Jobs hin – freiwillig. Claudia beschreibt die Gründe für die „Great Resignation“ und erklärt, weshalb Ähnliches auch hier in Deutschland geschehen könnte – und weshalb sie die Medienbranche für besonders anfällig hält. Ihren Beitrag kannst du als Medieninsider hier lesen

Darum sollte die Great Resignation auch deutsche Medienunternehmer alarmieren


Das neue Medienjahr hat nicht lange mit großen Nachrichten auf sich warten lassen. Gemeinsam mit Daniel Fiene bin ich sie zum Ende des Monats wieder in unserem gemeinsamen Podcast Was mit Medieninsider durchgegangen. Unsere Themen in der gerade erschienenen Ausgabe:

► Übernahme von The Athletic durch die New York Times: Haben Legacy-Medien genug eigene Innovationskraft?

►  Lokal vs. international: Über die Strategien von AxiosPolitico und Ben Smith und Justin Smith

►  Rückschlag für Ippen: Was der Abgang des Investigativ-Teams bedeutet

►  Geschäft mit den Plattformen: Weshalb Upday kein Facebook News mehr kuratiert

► 100 Tage Johannes Boie: Wie läuft es bei Bild?

Den Podcast kannst du wie immer exklusiv als Mitglied von Medieninsider hören. Mehr dazu findest du hier.

Podcast Was mit Medieninsider (3): New York TimesAxios, Upday, Facebook, Ippen Investigativ, Bild



Mehr News & Entdeckungen aus der Woche

zusammengetragen von Kevin Dusch

Funke heizt Fusionsdiskussion von BDZV und VDZ an

Die Funke Mediengruppe wagt einen Vorstoß zur weiteren Restrukturierung der Verleger-Lobby. Wie zuerst Horizont berichtet hat, wollen Geschäftsführer Christoph Rüth und Verlegerin Julia Becker die voneinander unabhängigen Verbände der Zeitungs- mit der Zeitschriftenverleger miteinander fusionieren. Die Zeitschriftenverleger haben gerade erst den Neustart beschlossen, firmieren ab April als Medienverband der freien Presse. Der Vorstoß kommt zudem kurz vor der Delegiertenversammlung der Zeitungsverleger (BDZV) Mitte Februar. Dort soll unter anderem über die Modernisierung des Verbands beraten werden. In diesem Zusammenhang wittern Beobachter auch einen Angriff auf BDZV-Präsident Mathias Döpfner. Die vorgezogene Delegiertenversammlung ist auch eine Reaktion auf die jüngste Präsidiumssitzung, auf der sich Döpfner gegenüber seinen Verlegerkollegen erklären musste. Funke stellt in seinem Papier auch die Zusammensetzung des Präsidiums infrage. Mehr erfährst du hier bei Horizont.

S Nation Media: Axel Springer baut Streaming-Start-up mit Ex-DFL-Chef Seifert auf

Nun wurde offiziell bestätigt, was Medieninsider bereits im November berichtet hatteChristian Seifert, bis Januar noch Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL), macht gemeinsame Sache mit Axel Springer. Konzern und Medienmanager wollen eine Streaming-Plattform für Sportarten außerhalb des Fußballs hochziehen. Einen Namen gibt es für die Plattform, die im Herbst 2023 an den Start gehen soll, noch nicht. Das gemeinsame Unternehmen aber heißt S Nation Media. Seifert hatte die Firma bereits vergangenen November gegründet, Springer sich im Dezember zu zunächst 44 Prozent daran beteiligt. Im Januar soll der Konzern eine Mehrheitsbeteiligung übernommen haben, Seifert halte nach Unternehmensangaben weiterhin einen „signifikanten Anteil“. Im Handelsregister dokumentiert ist der Schritt noch nicht. 

VDZ einigt sich mit Gewerkschaften auf Einmalzahlung

Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) hat sich nach drei Gesprächsrunden mit den Journalistengewerkschaften DJV und dju auf eine Verlängerung des laufenden Gehaltstarifvertrages bis 31. August 2022 geeinigt. Redakteure sollen nun im März eine Einmalzahlung von 1.000 Euro erhalten. Volontäre bekommen einmalig 500 Euro, Teilzeitkräfte werden anteilig bezahlt. Der Entscheidung müssen noch die Gremien bis 8. Februar 2022 zustimmen. Verhandelt wird auch mit dem Berufsverband der Zeitungsverleger, eine Einigung zwischen BDZV und Gewerkschaften gibt es allerdings noch nicht. Die Mitteilung des VDZ findest du hier, die Mitteilung des DJV hier.

Edelman Trust Barometer sieht wenig Vertrauen in Journalismus

Nur 50 Prozent der Menschen sehen Medien laut dem Edelman Trust Barometer 2022 als vertrauenswürdige Institutionen an. Damit liegt die Branche sogar hinter Regierungen (52 Prozent) sowie NGOs (59 Prozent) und Unternehmen (61 Prozent). Nur 46 Prozent der Befragten geben an, Journalisten zu vertrauen. Ebenso viele sehen Medien als spaltende Kräfte innerhalb der Gesellschaft. Traditionellen Medien schenken mit 57 Prozent der Befragten sogar weniger Menschen ihr Vertrauen als Suchmaschinen (59 Prozent). 76 Prozent befürchten, dass Fake News „als Waffe eingesetzt“ werden könnten. Für den Report hat das Analyse- und Beratungsunternehmen Edelman Data & Intelligence im November 2021 mehr als 36.000 Personen in 28 Ländern zu ihrem Vertrauen in unterschiedliche Institutionen befragt. Den vollständigen Bericht findest du hier.

New York Times kauft Onlinespiel Wordle

Die New York Times hat das Online-Worträtselspiel Wordle für einen „niedrigen siebenstelligen“ Betrag gekauft. Wordle war erst im Oktober online gegangen und hat laut Australian Broadcasting Corporation inzwischen mehr als drei Millionen Nutzer. Das Konzept ist simpel: Spieler können täglich aus einem Wortsalat heraus ein neues fünfstelliges Wort erraten, ihren Erfolg können sie dann mit anderen teilen. Für die New York Times zahlt der Zukauf wohl auf die Strategie im Abo-Geschäft ein. Spiele, Koch-Inhalte und Verbrauchertipps machten zusammengenommen zuletzt knapp 30 Prozent des Abo-Zuwachses des Unternehmens aus. Von den derzeit 8,4 Millionen Abonnenten der New York Times entfällt allein auf den Games-Bereich etwa eine Million. Die Meldung der New York Times zum Wordle-Kauf findest du hier.

Substack soll von Falschinformationen profitieren

Die gemeinnützige Organisation Center for Countering Digital Hate wirft der Newsletter-Plattform Substack vor, von Falschinformationen bezüglich der Corona-Pandemie zu profitieren. Die fünf erfolgreichsten Impfgegner-Newsletter, die über Substack angeboten werden, würden zusammen jährlich 2,5 Millionen US-Dollar einspielen, von denen die Plattform zehn Prozent erhält. Zwar würden die Richtlinien der Plattform „schädliche Aktivitäten“ verbieten, gegen die erwiesenermaßen falschen Informationen würde Substack allerdings nicht vorgehen. Die beiden erfolgreichsten Anti-Impf-Newsletter stammen vom ehemaligen Journalisten der New York Times Alex Berenson und dem Osteopathen Joseph Mercola. Berenson wurde 2021 von Twitter wegen Falschinformationen bezüglich der Corona-Impfungen gesperrt, Social-Media-Beiträge von Mercola wurden wiederholt von Plattformen untersagt. Einen Artikel zum Thema von PressGazette findest du hier, die Mitteilung des Center for Countering Digital Hate hier.

Aus dem Personalticker:

► Anette Dowideit wird Koordinatorin für Investigation bei Welt

► Co-Geschäftsführer Simon Kretschmer verlässt Correctiv

► TazAndreas Bull gibt Geschäftsführung nach über 30 Jahren ab

► Maria Exner wird Gründungsintendantin von Publix

► David Whigham wird stellvertretender Chefredakteur bei ntv

► Tagesspiegel-Vize Anna Sauerbrey übernimmt Außenpolitik der Zeit



Lesetipp

Lesenswerte Beiträge finden sich nicht ausschließlich in etablierten Medien, sondern manchmal auch in sozialen Netzwerken. So wie der folgende Beitrag des Digitaljournalisten Dennis Horn zur Causa Spotify.

Zum Hintergrund: Der Comedian Joe Rogan hat in seinem Spotify-Podcast – dem erfolgreichsten in den USA –Falschinformationen über die Corona-Pandemie verbreitet. Daraufhin gab es Protest, Musiker drohten mit dem Boykott der Streamingplattform. Erst danach reagierte Spotify und kündigte an, Beiträge zu Corona künftig mit Hinweisen auf wissenschaftliche Informationen versehen zu wollen.

Dennis Horn meint: Das reicht nicht aus, Spotify sollte sich so einfach nicht aus der Verantwortung stehlen dürften. Er sagt:

„Die Ankündigung von Spotify, dass Podcasts nun Hinweise verpasst bekommen, lässt es so aussehen, als würde es hier um die klassische Moderation von Inhalten gehen. Aber Spotify ist hier nicht die Plattform. Spotify ist ein Medienanbieter. Und verantwortlich für seine Inhalte.“

Seine Begründung: Rogan ist nicht einfach ein Podcaster bei Spotify, sondern arbeitet im Auftrag von Spotify. 2020 hatte die Plattform den Podcast Medienberichten zufolge für 100 Millionen US-Dollar übernommen und zum Exclusive umfirmiert. 

Auch die New York Times hat sich mit dem Fall Joe Rogan befasst. Autor Kevin Roose skizziert drei mögliche Szenarien, wie die Geschichte, für die Spotify stark in der Kritik steht, nun ausgehen könnte:

 Provokation bis zum Schluss: Rogan könnte weiter und sogar mehr Falschinformationen verbreiten, um eine Trennung zu provozieren. Dann könnte er sich als Opfer des „Woke-Mobs“ positionieren.

► Ruhige Kehrtwende: Rogan könnte eine lauwarme Entschuldigung liefern und ohne große Show seinen Vertrag mit Spotify sichern – ohne sein Image als „Anti-Establishment-Kämpfer“ aufzugeben.

► Keine Konsequenzen: Schließlich könnte es auch passieren, dass die Angelegenheit im Sande verläuft. Das allerdings hält Roose für unwahrscheinlich.

Einen gesammelten Blick auf Spotifys Ärger mit Joe Rogan findest du hier im Thread von Dennis Horn und hier in Kevin Rooses Beitrag in der New York Times.


Viele Grüße sendet dir

Marvin

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Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

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