Die alte Garde ist am Ende

Ausgabe #48/2021

Hallo Medieninsider!

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:

► Die Probleme des BDZV

► Podcast-Premiere von Medieninsider und neuer INSIGHT

► Wie Civey-Gründerin Janina Mütze die Meinungsforschung transformieren will

► Weshalb sich Medien vom jungen Publikum entkoppelt haben

► Wie öffentlich-rechtliche Medien ihren Rechtfertigungsdruck mildern können


Die deutschen Zeitungsverleger halten an ihrem Präsidenten Mathias Döpfner fest – auch weil sie gar nicht anders können. Zwar gibt es mit der offen gelegten SMS an Benjamin von Stuckrad-Barre diesen einen, gewichtigen und eigentlich ultimativen Grund, Döpfner das Misstrauen auszusprechen. Es gibt allerdings ganz viele andere Gründe, ihn gewähren zu lassen – allen voran medienpolitische. 

Döpfner ist der einflussreiche und durchsetzungsfähige Kopf, den die Branche in Berlin und Brüssel braucht. Dass das so ist, liegt an den Verbandsmitgliedern selbst. Sie haben sich in den vergangenen Jahren zu sehr auf den Springer-Chef verlassen. Sie haben schlicht verpasst, eine neue Galionsfigur aufzubauen.

Dem BDZV fehlt nicht nur ein alternativer Kopf, der medienpolitisches Talent besitzt, sondern auch verkörpert, was dem Verband am meisten fehlt: Modernisierung und Verjüngung. Eine Absichtserklärung, sich vom Denken alter Verlagsmuster zu lösen und sich auch für digitale Publisher zu öffnen, reicht nicht aus. Die Diskussion um die Zustellförderung zeigt: Der Verband hat die Transformation der Medienindustrie noch nicht verinnerlicht. 

Es wird höchste Zeit daran zu arbeiten. Das hat sich der Verband nun für das kommende Jahr vorgenommen. Bei einer vorgezogenen Delegiertenversammlung wolle man nun „an Konzepten und Ansätzen zur weiteren Modernisierung des Verbands“ arbeiten. Dabei sollte ein Satz als Leitgedanke gelten:

„Die alte Garde ist am Ende.“

Das Zitat stammt übrigens von Mathias Döpfner selbst – aus dem Jahr 2018.

Um die jüngsten Entwicklungen beim BDZV und Gründe, weshalb die Verleger an Mathias Döpfner festhalten, geht es auch in unserem neuen Podcast, den wir fortan monatlich gemeinsam mit Was mit Medien produzieren. Darin analysieren Daniel Fiene und ich die großen Medien-Themen der vergangenen Wochen und ordnen sie ein. Dabei im Vordergrund: Innovation, Transformation, Nutzwert und exklusives Insider-Wissen aus der Branche. 

Podcast Was mit Medieninsider (1) über den BDZV, Spiegel und Audio-Kampf der Plattformen


Neuer INSIGHT: Die Akte Julian Reichelt

Medieninsider hat seit Bekanntwerden des Compliance-Verfahrens um Bild-Chefredakteur Julian Reichelt fast zwei Dutzend Artikel zu den Vorgängen bei Axel Springer veröffentlicht. Kein anderes Medium hat in dieser Dichte berichtet, kein anderes war so nah dran an Interna, aber auch an einigen der Personen, die eine besondere Rolle im Zusammenhang mit diesem Verfahren spielen.

Wir haben unsere Recherchen und Veröffentlichungen in einem INSIGHT gebündelt. Entstanden ist eine ausführliche und exklusive Dokumentation der vergangenen Monate, die den Anfang der wohl größten Krise des Springer-Konzerns und dessen CEO Mathias Döpfner markieren – eine Krise, die längst noch nicht überstanden ist. Der INSIGHT, den auch Nicht-Mitglieder erwerben können, umfasst unter anderem:

► 68 Seiten mit Insights und Entwicklungen bei Axel Springer

► die Erklärung, was der Autor Benjamin Stuckrad-Barre mit CEO Mathias Döpfner, Bild-Chef Julian Reichelt und dem Compliance-Verfahren zu tun hat

► die wichtigsten Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung bei Bild aus dem Sommer 2021

► Analysen und Kommentare von Gastautoren wie Bernd Ziesemer oder Georg Altrogge

► Wortlautprotokolle der internen Auftritte von Mathias Döpfner, Julian Reichelt und seinem Nachfolger Johannes Boie

► alles über den Machtwechsel an der Spitze von Bild und ein Porträt des neuen Chefredakteurs


Im Directors‘ Club war neulich Janina Mütze zu Gast, um über die Transformation der Demoskopie zu sprechen. Mütze hat vor einigen Jahren das Meinungsforschungsunternehmen Civey gegründet, das ausschließlich auf Online-Befragungen setzt. Ich hatte viele Fragen zur ebensoviel diskutierten Methodik und Mütze hat geduldig geantwortet. Darüber hinaus haben wir über das geringe Vertrauen der Bevölkerung in Meinungsumfragen gesprochen – und was sich dagegen unternehmen lässt.

Für alle, die den Directors‘ Club noch nicht kennen, koppeln wir immer wieder einzelne Sequenzen heraus. Du kannst sie dir auch als Junior- oder Senior-Mitglied anschauen. In folgendem Auszug sprechen wir über das Geschäftsmodell von Civey und die Methodik. Denn Janina Mütze sagt:

„Wir haben das Erhebungsproblem der Branche gelöst.“

Mit den Online-Erhebungen sei Civey schneller und flexibler und – vor allem – vorausschauend. Denn:

„Man muss sich als Unternehmer auch die Frage stellen, wo erreiche ich die Menschen in Zukunft noch vermehrt?“

Directors‘ Club mit Janina Mütze

Civey-Gründerin Janina Mütze
Civey-Gründerin Janina Mütze

Aus der Medieninsider-Mediathek:

► Den gesamten Directors‘ Club mit Janina Mütze, in dem wir auch über das geringe Vertrauen der Bevölkerung in Meinungsumfragen sprechen, findest du hier.

► Zu Gast im Directors‘ Club war auch Sebastian Turner. Die Ausgabe, in der er auch über seinen eigenen Fachverlag Table.Media und seine Rolle als Investor spricht, findest du hier.

►Alle weiteren Ausgaben Directors‘ Club mit Arist von Harpe (Mopo)Katrin Gottschalk (taz) und Holger Stark (Zeit) findest du hier in der Übersicht


Über die Entkopplung von Journalismus und seinem Publikum

Was wäre, wenn die besseren Journalisten keine professionellen Journalisten sind, sondern Amateure? Und was wäre, wenn das Publikum einem Influencer mehr vertraut als einer Zeitung? Das wäre keine Überraschung. Und wer das anders sieht, dem mangelt es nicht nur an Vorstellungskraft, sondern der übersieht, dass das bereits geschieht, meint Andreas GebhardIn seinem Text für Medieninsider erklärt er, weshalb Influencer in jungen Generationen besser ankommen als Journalisten – und was Medien dagegen unternehmen können.



Mehr News & Entdeckungen aus der Woche

zusammengetragen von Kevin Dusch

News Showcase von Google als Medienplattform eingestuft

Die Landesmedienanstalten haben den Service Google News Showcase als Medienplattform eingestuft. Damit wird Googles Dienst für kuratierte News den deutschen Transparenzbestimmungen unterworfen. Konkret bedeutet das, dass Google künftig offenlegen muss, auf welcher Basis Inhalte ausgewählt werden. Publisher müssen außerdem „diskriminierungsfrei“ Zugang bekommen. Google News Showcase ist seit etwas mehr als einem Jahr auf dem Markt. In der Vergangenheit gab es bereits Berichte über Transparenzdefizite, vor allem bei den Verhandlung über Lizenzverträge mit Verlagshäusern. Eine aktuelle Meldung von Golem zum Beschluss der Landesmedienanstalten findest du hier.

Vaunet fordert Werbeverbot für Öffentlich-Rechtliche

Der Verband Privater Medien (Vaunet) fordert ein Werbeverbot für öffentlich-rechtliches Fernsehen sowie eine Einschränkung der Werbemöglichkeiten im Radio. Anlass für die Forderung ist die Veröffentlichung eines Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission, der sich mit Auftrag und Struktur der Zukunft des Angebots befasst. Zeitgleich erwägt die zukünftige Landesregierung in Berlin eine Reduzierung der Werbezeiten beim Rundfunk Berlin Brandenburg. Im Koalitionsvertrag sprechen SPD, Grüne und Linke von einer Novellierung des RBB-Staatsvertrags. Eine aktuelle Meldung der dpa findest du dazu hier. Die Forderungen von Vaunet findest du hier.

EU finanziert europäischen Agenturen-Newsroom

Die EU-Kommission will den Aufbau eines internationalen Newsrooms von Nachrichtenagenturen mit 1,8 Millionen Euro finanzieren. Unter Federführung der Deutschen Presse-Agentur wollen 16 Nachrichtendienstleister aus 15 Ländern in Brüssel eine Nachrichtenzentrale für EU-Themen einrichten. Mit dabei sind unter anderem auch die Nachrichtenagentur AFP aus Frankreich und die österreichische APA. Mit dem Geld der EU sollen neben dem Aufbau des Newsrooms auch Fortbildungsangebote für Journalisten und eine mehrsprachige Website mit Inhalten der Agenturen eingerichtet werden. Einen aktuellen Bericht der FAZ findest du hier.

Führungsstreit bei Politico-Flaggschiff Playbook

The Daily Beast enthüllt massive Streitigkeiten beim Newsletter Playbook, dem Flaggschiff von Politico. Der Recherche zufolge sorgt die weitgehende inhaltliche Autonomie des Newsletters innerhalb von Politico für schlechte Stimmung. Besonders der Vorwurf, Playbook sei zunehmend sensationslüsterner geworden, steht im Raum. Auch Politico-Gründer Robert Allbritton habe diesbezüglich Bedenken geäußert. Ein weiterer Streitpunkt ist dem Bericht zufolge das Bestreben der Mitarbeiter, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Die umfassende Recherche, für die The Daily Beast nach eigenen Angaben mit 22 derzeitigen und ehemaligen Politico-Mitarbeitern sprach, findest du hier.

Britische Marktaufsicht fordert Meta zu Giphy-Verkauf auf

Die britische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde hat die Facebook-Mutter Meta aufgefordert, die Gif-Datenbank Giphy zu verkaufen. Das Portal wurde 2020 für schätzungsweise 400 Millionen US-Dollar von Facebook gekauft. Die britische Behörde kam nun zu dem Schluss, dass Facebook mit diesem Kauf seine Marktmacht wettbewerbswidrig ausgebaut habe, unter anderem durch die Zugangsverweigerung und -einschränkung zu Gifs von Giphy für andere Plattformen. Meta äußerte sich bisher nicht zu dem Vorgang. Eine aktuelle Meldung von Axios findest du hier.

Aus dem Personalticker:

► Franziska Reich wird Politik-Chefin beim Focus

► Tina Hassel bleibt bis 2024 Leiterin des ARD-Hauptstadtstudio

► Chefredaktion bei WatsonSwen Thissen löst Kinga Rustler ab



Lesetipp

Tobias Blanken, nach eigener Aussage „Sherpa“ in der Geschäftsführung der Welt (gemeint ist: Referent von Ulf Poschardt), hat bei Twitter in dieser Woche Folgendes gefragt:

„Worauf könntet ihr eher verzichten, Netflix oder ARD und ZDF?“

So zugespitzt seine Frage nach der Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch sein mag: Er ist nicht der Einzige, der sie stellt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht immer wieder und nicht nur in Deutschland unter Rechtfertigungsdruck und für dessen Macher stellt sich die Frage: 

Was müssen die von der Allgemeinheit finanzierten Medien leisten, um ihre Akzeptanz zu erhöhen und ihre Aufträge zu erfüllen?

Damit haben sich auch Alexandra Borchardt, Medieninsider-Kolumnistin und Medienprofessorin, und Felix Simon, Doktorand am Oxford Internet Institute, im Auftrag der European Broadcasting Union (EBU) befasst. 

Herausgekommen ist ein 160 Seiten umfassender Report mit dem Titel What’s Next? Public Service Journalism in the Age of Distraction, Opinion, and Information Abundance. Dafür haben die beiden Autoren mit mehr als 40 internationalen Medien-Führungskräften und -Experten gesprochen, darunter zahlreiche Intendanten und Chefredakteure. Nur einige Punkte, die sie herausgearbeitet haben:

► Nah am Nutzer: Inhalte von Öffentlich-Rechtlichen sollten sich an der Lebensrealität der Nutzer und nicht ausschließlich an Themen der großen Politik orientieren.

► Klare Zielsetzung: Öffentlich-Rechtliche müssen diejenigen erreichen, die von klassischen Medien unterversorgt sind.

► Junge Zielgruppen erreichen: Mit Humor und Leidenschaft, verbunden mit inhaltlicher Tiefe, kann die nachwachsende Generation gebunden werden.

► Vertrauen schaffen: Öffentlich-Rechtliche sollten Transparenz zeigen und den Gedanken der Überparteilichkeit klar herausstellen.

► Gewohnheiten ernstnehmen: Die Anstalten müssen sich auf Plattformen breit aufstellen und Inhalte dort ausspielen, wo die Nutzer sie sehen wollen – nicht dort, wo die Redaktion sie am liebsten haben will.

► Attraktivität als Arbeitgeber: Um auch auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Öffentlich-Rechtlichen für mehr Identifikation und Bindung junger Talente sorgen.

Die Frage, ob es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch braucht, beantwortet der Report nicht. Vielmehr gibt er Impulse dafür, wie die Relevanz aufrechterhalten – oder je nach Lesart wiederhergestellt werden kann. 16 Best-Practice-Fallstudien sollen die Antwort darauf liefern.

Der Report ist nach Registrierung kostenlos verfügbar. Du findest ihn hier

Ich wünsche dir noch eine schöne Woche! 

Viele Grüße sendet dir

Marvin

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Lese-Letter Marvin Schade

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Im Lese-Letter diese Woche: Mathias Döpfner handelt wieder anders als er zuletzt gesprochen hat – und unterstreicht die Krise der Verlegerverbände.

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Marvin Schade
Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

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